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15. September 2014 RA Andreas Pitsch

Ärgernis Fahrtenbuchauflage

Kaufleute müssen Fahrer eines Dienstfahrzeugs regelmäßig auch nach längerer Zeit benennen können

Erhöhte Pflichten bei der Ermittlung von Fahrern nach Verkehrsverstößen hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf in einem Urteil vom 23.06.2014 für Kaufleute wie z. B. eine GmbH angenommen. Wer sich z. B. als Geschäftsführer „schützend“ vor Mitarbeiter stellt, die erhebliche Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr begehen, muss deshalb auch noch nach längerer Zeit nach dem Verstoß regelmäßig mit einer Fahrtenbuchauflage rechnen.Die betreffende GmbH (nachfolgend Klägerin) hatte sich mit einer Klage gegen eine Fahrtenbuchauflage gewandt. Sie ist Halterin des Kraftfahrzeuges, mit dem am 16.11.2012 auf der Autobahn die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 27 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten wurde.Am 10.01.2013 übersandte die Bußgeldstelle der Klägerin einen Zeugenfragebogen und gab ihr Gelegenheit, zu dem mit ihrem Kraftfahrzeug begangenen Verkehrsverstoß Stellung zu nehmen sowie Angaben zum Fahrzeugführer zu machen. Nachdem keine Reaktion erfolgte, übersandte die Bußgeldstelle der Klägerin am 30.01.2013 erneut einen Zeugenfragebogen. Von der Klägerin beauftragte anwaltliche Bevollmächtigte erhielten auf Antrag Akteneinsicht, eine Stellungnahme zur Sache erfolgte nicht.Die Bußgeldstelle führte schließlich am 04.02.2013 in den Geschäftsräumen der Klägerin einen Außendienstbesuch durch; die Personalien des Fahrzeugführers wurden jedoch von den dort anwesenden Firmenmitarbeitern der Klägerin auf Nachfrage des Behördenmitarbeiters nicht benannt.Am 15.02.2013 wurde das Ordnungswidrigkeitenverfahren eingestellt. Nach Anhörung verpflichtete die Verkehrsbehörde mit Ordnungsverfügung vom 15.08.2013 die Klägerin, für das betreffende Fahrzeug für die Dauer von neun Monaten ein Fahrtenbuch zu führen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der für den am 16.11.2012 begangenen Verkehrsverstoß verantwortliche Fahrzeugführer habe nicht ermittelt werden können. Angesichts der erfolgten Geschwindigkeitsüberschreitung von 27 km/h sei eine Fahrtenbuchauflage für die Dauer von neun Monaten rechtmäßig und verstoße nicht gegen das Grundgesetz.Die Klägerin führte zur Begründung ihrer Klage im Wesentlichen aus, die Fahrtenbuchauflage sei rechtswidrig. Die Behörde habe nicht alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um den Fahrzeugführer zu ermitteln. Der Zeugenfragebogen sei ihr nicht innerhalb von zwei Wochen, sondern erst am 14.01.2013, mithin zwei Monate nach dem Verkehrsverstoß vom 16.11.2012 zugegangen. Nach Ablauf von zwei Monaten sei für sie nicht mehr nachvollziehbar gewesen, welcher Fahrer zu welcher Zeit welches Fahrzeug geführt habe. Sie sei nicht generell verpflichtet, die mit ihren Geschäftsfahrzeugen durchgeführten Fahrten im Einzelnen zu dokumentieren, um den jeweiligen Fahrer im Falle der Begehung von Verkehrsverstößen identifizieren zu können. Eine derartige Pflicht lasse sich insbesondere nicht aus den handelsrechtlichen Buchführungspflichten herleiten. Im Übrigen sei das vom Beklagten zur Verfügung gestellte Lichtbild nicht geeignet gewesen, den Fahrzeugführer unzweifelhaft zu identifizieren.Das Gericht hielt die Fahrtenbuchauflage für rechtens und die Klage demgemäß für unbegründet.Die Behörde sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Feststellung des Fahrzeugführers nach der vorgenannten Verkehrszuwiderhandlung, die zu einem Eintrag von drei Punkten im Verkehrszentralregister geführt hätte, für die Bußgeldstelle nicht möglich und deshalb die Fahrtenbuchauflage gerechtfertigt war.Von einer solchen Unmöglichkeit sei auszugehen, so in der Urteilsbegründung, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Zu den angemessenen Maßnahmen gehöre grundsätzlich auch, dass der Halter möglichst umgehend – im Regelfall innerhalb von zwei Wochen – von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Eine verspätete Anhörung schließe eine Fahrtenbuchauflage allerdings dann nicht aus, wenn feststehe, dass die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist.Dies gelte namentlich für die Fälle, in denen nach den gegebenen Umständen erkennbar ist, dass auch eine frühere Ermittlung nicht zu einem Ermittlungserfolg geführt hätte, weil der Kraftfahrzeughalter ohnehin nicht bereit war, an der erforderlichen Aufklärung mitzuwirken. Insoweit sei es grundsätzlich Sache des Halters, Angaben zu der Person zu machen, die im fraglichen Zeitpunkt sein Fahrzeug geführt hat. Dabei obliege es dem Halter insbesondere, dass er den bekannten oder auf einem vorgelegten Radarfoto erkannten Fahrer benennt oder zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten fördert. Lehne der Halter die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, sei es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben.Die Zwei-Wochen-Frist gelte zudem nicht bei Verkehrsverstößen, die – wie hier – mit einem Firmenfahrzeug eines Kaufmannes im Sinne des Handelsrechts im geschäftlichen Zusammenhang begangen worden seien. Gehe es um solche, treffe die Geschäftsleitung eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Diese rechtfertige sich durch die handelsrechtlichen Verpflichtungen des Kaufmanns zur Führung und Aufbewahrung von Büchern, aus denen sich Geschäftsvorfälle „in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen“ (§§ 238 Abs. 1, 257 HGB), sowie aus dem Umstand, dass es unabhängig von der Reichweite dieser Vorschriften sachgerechtem kaufmännischen Verhalten entspreche, auch die Geschäftsfahrten längerfristig zu dokumentieren. Es falle demgemäß in die Sphäre der Geschäftsleitung, organisatorische Vorkehrungen dafür zu treffen, dass im Falle einer Verkehrszuwiderhandlung ohne Rücksicht auf die Erinnerung Einzelner festgestellt werden könne, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Geschäftsfahrzeug benutzt hat. Die Geschäftsleitung müsse zumindest in der Lage sein, der Behörde die Firmenangehörigen zu nennen, denen das betreffende Fahrzeug zugerechnet werden kann. Denn es könne nicht Aufgabe der Behörde sein, innerbetriebliche Vorgänge aufzuklären, denen die Geschäftsleitung weitaus näher steht. Ihrer Verpflichtung als Fahrzeughalterin, bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Ordnungswidrigkeiten- bzw. Verwaltungsverfahren mitzuwirken, könne die Geschäftsleitung deshalb regelmäßig nicht mit der Behauptung genügen, es sei nicht möglich, den Fahrzeugführer ausfindig zu machen. Denn eine Firma müsse in ihrer Eigenschaft als Kaufmann grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Erinnerung einzelner Personen in der Lage sein, Geschäftsfahrten und Ähnliches anhand schriftlicher Unterlagen zu rekonstruieren und den jeweiligen Fahrzeugführer im Einzelfall festzustellen.Die erforderliche Benachrichtigung des Halters müsse dabei nicht zwingend in der Gestalt eines Anhörungsschreibens durchgeführt werden. Auch eine mündliche Befragung durch einen (Außendienst-)Mitarbeiter der Ermittlungsbehörde – sei es im Rahmen einer persönlichen Vorsprache oder mittels telefonischer Anfragen – könne ausreichend sein. Die Befragung von Mitarbeitern in einer Firma – insbesondere die Befragung einer Sekretärin – zu dem in Rede stehenden Verkehrsverstoß stelle regelmäßig eine ausreichende Ermittlungsmaßnahme dar. Denn es falle in den Verantwortungsbereich der Gesellschaft, innerbetrieblich dafür Sorge zu tragen, dass die Geschäftsführung bzw. die Mitarbeiter, die zuverlässig Auskunft über den Einsatz der Firmenwagen geben können, informiert werden. Erfolgten daraufhin keine weiteren Angaben seitens des Halters zu der Person, die im fraglichen Zeitpunkt das Firmenfahrzeug geführt hat, sei es der Behörde regelmäßig nicht mehr zuzumuten, noch weitere zeitraubende Ermittlungen zu betreiben.Die Klägerin habe auf den vom Beklagten übersandten Zeugenfragebogen vom 10.01.2013, der ihr am 14.01.2013 zugegangen ist, nicht reagiert. Auf die erneute Übersendung des Zeugenfragebogens mit Schreiben vom 30.01.2013 hätten sich lediglich die jetzigen Bevollmächtigten der Klägerin bestellt und um die Gewährung von Akteneinsicht nachgesucht. Angaben zum verantwortlichen Fahrzeugführer bzw. zum Kreis der Nutzungsberechtigten wurden hingegen nicht gemacht.Schon durch die trotz der übersandten und unstreitig zugegangenen Zeugenfragebögen unterlassenen Angaben zur Person des potentiellen Fahrzeugführers bzw. zum Kreis der zur Benutzung des Kraftfahrzeuges berechtigten Personen sei die Klägerin ihrer erhöhten Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen. Sofern die GmbH über entsprechende Aufzeichnungen in Form von Kontenbüchern in Verbindung mit Belegmappen, Einsatzplänen oder Ähnlichem nicht verfüge, gehe dies zu ihren Lasten. Angesichts der gesteigerten Mitwirkungsobliegenheit könne es die Klägerin auch nicht entlasten, wenn sie tatsächlich ihre Geschäftsfahrten nicht dokumentieren sollte und deshalb allein auf die Erinnerung oder die Erkennbarkeit von Radarfotos angewiesen wäre, um den Täter eines Verkehrsverstoß benennen zu können. Sie habe dann der zuständigen Bußgeldstelle gegenüber zwecks Erfüllung ihrer gesteigerten Mitwirkungsobliegenheit zumindest den Kreis derjenigen Firmenangehörigen benennen müssen, die berechtigt waren, das betreffende Fahrzeug im Tatzeitpunkt zu benutzen. Derartige Angaben seien jedoch nicht erfolgt. Allein deshalb sei die Bußgeldstelle nicht gehalten gewesen, über die getätigten Ermittlungsansätze hinaus weitere zeitraubende Ermittlungen durchzuführen.Unabhängig davon sei auch der von der Bußgeldstelle des Beklagten am 04.02.2013 veranlasste Außendienstbesuch in den Geschäftsräumen der Klägerin ergebnislos verlaufen. Da jedenfalls die Firmenmitarbeiter der Klägerin am 04.02.2013 im Zuge des Außendienstbesuches zu dem fraglichen Verkehrsverstoß befragt worden seien, jedoch angesichts der bei dieser Befragung verweigerten Auskünfte zur Person bzw. den Personalien des Fahrzeugführers keine weiterführenden Erkenntnisse gewonnen wurden und die Klägerin ihrerseits auch keine weiteren innerbetrieblichen Nachforschungen angestellt habe, sei die Bußgeldstelle als Ermittlungsbehörde – spätestens nach dem erfolglos durchgeführten Außendienstbesuch – nicht gehalten gewesen, noch weitergehende Ermittlungsmaßnahmen durchzuführen. Da jedenfalls die Befragung vom 04.02.2013 als solche hinreichender Anlass zu innerbetrieblichen Nachforschungen gewesen sei, komme es auch nicht auf den genauen Ablauf oder Inhalt der Befragung an.Unschädlich sei schließlich, dass die Befragung erst rund zweieinhalb Monate nach dem Verkehrsverstoß erfolgt sei. Denn die Klägerin könne sich als Formkaufmann nicht auf die Zwei-Wochen-Frist berufen. Es entspreche – unabhängig von der Reichweite gesetzlicher Buchführungspflichten – sachgerechtem kaufmännischen Verhalten, auch die Geschäftsfahrten längerfristig zu dokumentieren.Schließlich liege die gewählte Dauer von neun Monaten bei dem in Rede stehenden Verkehrsverstoß, der nach seinerzeitiger Rechtslage mit drei Punkten zu bewerten sei, ohne weiteres innerhalb der ermessensfehlerfrei wählbaren zeitlichen Länge und begegne im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit keinen rechtlichen Bedenken.(Az.: 14 K 7350/13)

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