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12. Oktober 2009 RA Andreas Pitsch

Haftung des GmbH-Geschäftsführers

Zahlungen nach Insolvenzreife

Das aktuelle UrteilDie Zahlung von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung durch den Geschäftsführer ist nach der Insolvenzreife der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nicht vereinbar und führt zur Erstattungspflicht nach § 64 Satz 1 und 2 GmbHG (BGH, Urteil vom 08.06.2009, Az. II ZR 147/08).Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten treten die Rechte und Pflichten des GmbH-Geschäftsführers in der Unternehmenskrise besonders in den Vordergrund.In dem entschiedenen Fall war der Beklagte alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin. Diese war seit Ende 2003 durchgehend überschuldet, wie in dem Insolvenzverfahren festgestellt wurde. Zwischen Juni und August 2005 veräußerte der Beklagte Gegenstände aus dem Anlage- und Umlaufvermögen, aus den Verkaufserlösen zahlte er fast 17.000,00 € an Sozialversicherungsträger zur Begleichung von Sozialversicherungsbeiträgen.Das Oberlandesgericht hatte die Klage des Insolvenzverwalters weitgehend abgewiesen. Es war der Auffassung, dass die Zahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung, auch der Arbeitgeberbeiträge nach Insolvenzreife, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sei.Dies bezeichnete der BGH ganz klar als „Rechtsirrtum‟.Der Geschäftsführer einer GmbH ist nach § 64 Satz 1 und 2 GmbHG zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Insolvenzreife der Gesellschaft geleistet werden, wenn die Zahlungen nicht auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. Nach Auffassung des BGH ist die Zahlung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung nach Insolvenzreife im Gegensatz zur Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nicht vereinbar. Dies folgt daraus, dass § 266 Abs. 1 StGB nur das Vorenthalten der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung, nicht jedoch auch der Arbeitgeberbeiträge unter Strafe stellt. Einem Geschäftsführer sei mit Blick auf die Einheit der Rechtsordnung nicht abzuverlangen, fällige Leistungen an die Sozialkasse nicht zu erbringen, wenn er dadurch Gefahr läuft, strafrechtlich verfolgt zu werden. Dies betrifft aber eben nur den Arbeitnehmeranteil.
Der Geschäftsführer, der sich nicht wegen des Veruntreuens von Arbeitsentgelt strafbar machen und deshalb Zahlungen ausschließlich auf die Arbeitnehmeranteile leisten will, die mit der Zahlung vorrangig getilgt werden sollen, muss eine ausdrückliche Tilgungsbestimmung treffen. Denn § 4 der Verordnung über die Berechnung, Zahlung, Weiterleitung, Abrechnung und Bildung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages – Beitragsverfahrensverordnung (BVV) – trifft auch eine Bestimmung über die Reihenfolge der Tilgung bei Teilzahlungen des Gesamtsozialversicherungsbeitrages wie folgt:

§ 4 Reihenfolge der TilgungSchuldet der Arbeitgeber oder ein sonstiger Zahlungspflichtiger Auslagen der Einzugsstelle, Gebühren, Gesamtsozialversicherungsbeiträge, Säumniszuschläge, Zinsen, Geldbußen oder Zwangsgelder, kann er bei der Zahlung bestimmen, welche Schuld getilgt werden soll; der Arbeitgeber kann hinsichtlich der Beiträge bestimmen, dass vorrangig die Arbeitnehmeranteile getilgt werden sollen. Trifft der Arbeitgeber keine Bestimmung, werden die Schulden in der genannten Reihenfolge getilgt. Innerhalb der gleichen Schuldenart werden die einzelnen Schulden nach ihrer Fälligkeit, bei gleichzeitiger Fälligkeit anteilmäßig getilgt.

Dies bedeutet, dass ohne Tilgungsbestimmung Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil gleichermaßen getilgt werden. Das kann bei der hier in Rede stehenden Konstellation einerseits zu einer Haftung gegenüber der Gesellschaft führen und andererseits, falls die fälligen Arbeitnehmerbeiträge nur teilweise getilgt werden, zum strafrechtlichen Vorwurf des Veruntreuens von Arbeitsentgelt.Deshalb muss der Geschäftsführer bei der Überweisung ganz klar bestimmen, beispielsweise durch den Text auf dem Überweisungsträger oder in einem gesonderten Anschreiben an die Einzugsstelle der Krankenkasse, dass es sich bei der avisierten Zahlung um Arbeitnehmerbeiträge für gewisse Zeiträume, die nach Möglichkeit ebenso genau zu bezeichnen sind, handelt.Der BGH betonte in der Entscheidung außerdem, dass dem Geschäftsführer nach Insolvenzreife die Tilgung fälliger Verbindlichkeiten grundsätzlich verboten sei, was den Zweck verfolgt, Masseverkürzungen im Hinblick auf das Insolvenzverfahren zu verhindern.Daher sei nur ausnahmsweise eine die Masse schmälernde Zahlung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar. Es müsse jedoch der Geschäftsführer darlegen und beweisen, dass eine solche Ausnahme vorliegt. Dies wird im Regelfall nur für die Tilgung strafbewehrter bzw. steuerlicher Verbindlichkeiten so gesehen.

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