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16. April 2010 RA Andreas Pitsch

Möglichkeiten der Flexibilisierung der Arbeitszeit

Angesichts schwankender betrieblich zu bewältigender Arbeitsvolumen stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten der Arbeitszeitflexibilisierung sich bieten.

Wünschenswert sind Regelungen, mit denen der Arbeitgeber auf langfristig nicht vorhersehbare Schwankungen des Arbeitsanfalls rasch und angemessen reagieren kann. Er muss dann bei geringerem Aufkommen nicht Kurzarbeit anordnen – abgesehen von den dafür erforderlichen Voraussetzungen – oder gar kündigen, und muss umgekehrt bei höherer Auslastung zunächst keine neuen Arbeitnehmer einstellen. Häufig enthalten Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen bedarfsorientierte Arbeitszeitregelungen.

Aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes ist jedoch nicht jegliche Flexibilisierung und Anpassung an den Arbeitsanfall in Arbeitsverträgen zulässig. Der Grund liegt darin, dass anderenfalls der Arbeitnehmer das wirtschaftliche Risiko mittragen müsste, obwohl er keinen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen hat. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers müssen die unmittelbaren Folgen wirtschaftlicher Schwankungen jedoch allein den Arbeitgeber treffen. Er trägt grundsätzlich das Risiko, den Arbeitnehmer wegen Auftragsmangels nicht beschäftigen zu können.

Eine Möglichkeit der Flexibilisierung der Arbeitszeit besteht darin, bei gleich bleibendem monatlichem Entgelt eine Jahresarbeitszeit zu vereinbaren. Diese kann dann innerhalb der Grenzen des Arbeitszeitgesetzes verteilt werden, regelmäßig nicht mehr als acht Stunden pro Werktag, zeitweise jedoch kann die werktägliche Arbeitszeit auf bis zu 10 Stunden ausgedehnt werden, wenn innerhalb eines halben Jahres ein Ausgleich erfolgt. Bei der individuellen Vereinbarung einer Jahresarbeitszeit ist aus Gründen der Wirksamkeit einer solchen darauf zu achten, dass wöchentliche Unter- und Obergrenzen vereinbart werden (z. B. zwischen 30 und 44 Stunden je Woche, im Ausgleichszeitraum von 12 Monaten durchschnittlich 37 Stunden je Woche, was eine Jahresarbeitszeit von 37 x 52 = 1924 Stunden ergibt), damit sich der Arbeitnehmer darauf einstellen kann, in welchem Umfang er arbeitsbereit sein muss.

Eine weitere Möglichkeit ist die so genannte Abrufarbeit. Es wird eine bestimmte wöchentliche Arbeitszeit sowie eine tägliche Mindestarbeitszeit vereinbart, so dass der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, innerhalb einer Woche das vereinbarte Arbeitszeitvolumen abzurufen. Dabei ist zu beachten, dass per Gesetz für den Abruf der Arbeitsleistung eine Ankündigungsfrist von vier Tagen gilt, kürzere Ankündigungsfristen können jedoch vereinbart werden. Wird bei Abrufarbeit keine wöchentliche Arbeitszeit vereinbart, so gilt per Gesetz eine Arbeitszeit von 10 Stunden je Woche vereinbart.

Eine Variante der Abrufarbeit besteht in der Vereinbarung so genannter Bandbreiten. Ob dies gesetzlich zulässig ist, war in der Rechtsprechung umstritten. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat hier jedoch eindeutige Regeln aufgestellt. Danach darf eine wöchentliche Mindestarbeitszeit vereinbart werden mit der Verpflichtung, dass der Arbeitnehmer auf Abruf bis zu 25 % dieser Mindestarbeitszeit pro Woche zusätzlich leistet. Einen Anspruch auf diese 25 % hat er jedoch nicht – folglich auch nicht auf die Vergütung dafür. Ein Beispiel: Es wird eine Mindestarbeitszeit von 30 Stunden je Woche vereinbart und der Arbeitnehmer verpflichtet sich, auf Weisung bis zu 7,5 Stunden je Woche darüber hinaus zu leisten, ohne dass sein Beschäftigungs- und damit Entgeltanspruch über 30 Stunden pro Woche hinaus geht. Umgekehrt ist auch die Vereinbarung einer Höchstarbeitszeit möglich, die um bis zu 20 % unterschritten werden darf, wodurch sich der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers in diesem Umfang reduziert. Dann hat der Arbeitnehmer im Zweifel nur Anspruch auf Vergütung für 80 % der vereinbarten Höchstarbeitszeit.

Daneben, so hat das BAG ausdrücklich erklärt, ist bei entsprechender Verpflichtung des Arbeitnehmers im Arbeitsvertrag und Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch die Anordnung von Überstunden möglich. Zu beachten ist dabei jedoch, dass Überstunden wegen bestimmter besonderer Umstände vorübergehend zusätzlich geleistet werden. Besteht dagegen für den Arbeitnehmer eine selbständige, nicht auf Unregelmäßigkeit oder Dringlichkeit beschränkte Verpflichtung, auf Anforderung des Arbeitgebers zu arbeiten, handelt es sich nicht um Überstunden, sondern um Arbeit auf Abruf. Zu beachten ist ferner, dass in Betrieben, in denen ein Betriebsrat gewählt ist, grundsätzlich dessen Zustimmung zur Anordnung von Überstunden erforderlich ist, wenn von ihr nicht nur einzelne Arbeitnehmer betroffen sind.

Ob bei Abrufarbeit auch die Verteilung einer vereinbarten Monatsarbeitszeit – z. B. 150 Stunden – auf die einzelnen Tage des Monats einseitig durch Weisung des Arbeitgebers zulässig ist, ist umstritten, weil die Rechtsprechung ebenso anerkennt, dass der Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse daran hat, seine Freizeit planen und prüfen zu können, ob er gegebenenfalls ein weiteres Teilzeitarbeitsverhältnis eingehen kann und möchte. Wenn daher der Arbeitgeber schrankenlos die Möglichkeit hätte, die Verteilung der Monatsarbeitszeit einseitig zu bestimmen, wäre der Arbeitnehmer zu sehr eingeschränkt.

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