10. Januar 2008
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
In einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen vertraten BAYH & FINGERLE einen Arbeitgeber, der bundesweit mit seinen durchweg weiblichen Mitarbeiterinnen Baby-Fotografien erstellt, indem die Babys nach der Geburt mit Einverständnis der Eltern auf den Wöchnerinnenstationen fotografiert, die Bilder den Eltern angeboten und auf Wunsch der betreffenden Klinik auf deren Internetseite gestellt werden.
Als eine neue Mitarbeiterin gesucht wurde, wurde in der örtlichen Presse eine entsprechende Annonce geschaltet, mit der ausdrücklich und damit geschlechtspezifisch eine „Baby-Fotografin‟ gesucht wurde.
Es bewarb sich als Baby-Fotograf ein 1945 geborener, bisher vor allem im kaufmännischen Bereich tätiger Selbständiger, dessen Bewerbung nicht berücksichtigte.Der Bewerber erhob daraufhin beim zuständigen Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein Klage und verlangte eine Entschädigung, da er diskriminiert worden sei. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Urteil ist rechtskräftig (4 Ca 1370/07).In dem Urteil folgte das Arbeitsgericht im vollen Umfang der Argumentation des von BAYH & FINGERLE anwaltlich vertretenen Beklagten. Zur Begründung führte es unter anderem aus, dass der Beklagte männliche Bewerber bei der Stellenbesetzung unberücksichtigt lassen durfte, da die unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts zulässig ist, weil das – hier weibliche – Geschlecht wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit als Baby-Fotografin auf einer Wöchnerinnenstation bzw. der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt. Das Arbeitsplatzprofil erweise sich als angemessen.Maßgebend sei auf das Schamgefühl der Frauen auf der Wöchnerinnenstation des betreffenden Krankenhauses abzustellen. Diese befänden sich kurz nach der Geburt des Kindes in einem geschwächten und erschöpften Zustand, würden in einem Krankenhauszimmer teilweise im Nachhemd und Pyjama gekleidet liegen, Stillunterwäsche und gegebenenfalls Stützstrumpfe tragen. In dieser Situation sei nachvollziehbar, dass sich die betroffenen Frauen lieber von einer Baby-Fotografin ansprechen lassen, von der sie erwarten, dass sie sich besser als ein Mann in ihren körperlichen und emotionalen Ausnahmezustand einfühlen könne. Die besondere Situation kurz nach der Geburt erfordere ein erhöhtes Maß an individuellem Verständnis, besondere Sensibilität und Vertrauen, die eine Person des gleichen Geschlechts, die die Situation der Gebärenden eventuell auch aus eigener Erfahrung heraus kennt, besser aufbringen könne.Zwar hätten die Wöchnerinnen auf der Geburtsstation auch zu anderen Männern Kontakt, diese würden aber jeweils in einem anderen Kontext an die Frauen herantreten und ließen sich daher mit der männlichen Person eines Baby-Fotografen nicht vergleichen. Bei den Ärzten männlichen Geschlechts z.B. wisse die Frau von vornherein, dass sie sich in deren Obhut begebe und von Ihnen behandelt werde; dies stehe schon fest, sobald sich die Frau entscheide, in einem bestimmten Krankenhaus zu entbinden. Das gleiche gelte im Prinzip für die Betreuung durch männliches Pflegepersonal.Sofern die Wöchnerin männliche Besuche empfange, stehe dies in ihrer eigener Entscheidung und würde in den meisten Fällen ihrem Wunsch entsprechen. Zwar würde der männliche Besucher eventuell auch andere Frauen in dem Krankenzimmer antreffen, dies täte er aber nicht mit der Zielrichtung, die ihm fremde Wöchnerin anzusprechen und ihr eine Dienstleistung anzubieten. Der Kläger legte gegen das Urteil keine Berufung ein. Dennoch muss in Fällen wie diesen dem Arbeitgeber der Tipp gegeben werden, auch solche Stellen geschlechtsneutral auszuschreiben, weil eine geschlechtsspezifische Ausschreibung Anlass für eine ganze Reihe von Personen des anderen Geschlechts sein kann, eine Diskriminierung zu vermuten und sich zu bewerben, um bei Ablehnung dann – wie im vorliegenden Fall – Schadenersatzforderungen von bis zu drei Monatsgehältern zu erheben. Die geschlechtsspezifische Ausschreibung bringt den Arbeitgeber in die Gefahr, vermehrt in zeit- und kostenintensive arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen verwickelt zu werden, was schon deshalb vermieden werden sollte, da es auch bei einem Obsiegen vor dem Arbeitsgericht in der ersten Instanz keinen Kostenerstattungsanspruch gegen den Gegner gibt. Auch im vorliegenden Fall haben BAYH & FINGERLE im Nachgang dem beklagten Arbeitgeber empfohlen, trotz des für ihn siegreichen Ausgangs des Arbeitsrechtsstreits zukünftig geschlechtsneutral auszuschreiben.