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06. Juli 2012 RA Marbod Hans

Kündigung – zum berechtigten Interesse des Vermieters an einer ordentlichen Kündigung

Der Fall: Die meisten Mietparteien wissen, dass ein Mieter für eine ordentliche Kündigung im Kündigungsschreiben keinen Kündigungsgrund, der Vermieter hingegen einen Kündigungsgrund angeben muss. Im Allgemeinen ist bekannt, dass es bei der ordentlichen Kündigung die Eigenbedarfskündigung, die Verwertungskündigung und die Kündigung wegen Vorliegens einer schuldhaften erheblichen Pflichtverletzung des Mieters gibt

Weniger bekannt ist, dass diese – in § 573 Abs. 2 BGB aufgeführten – Kündigungsgründe nur Beispielsfälle des Gesetzgebers für das „berechtigte Interesse‟ sind, welches der Vermieter für seine Kündigung benötigt. Im Gesetz heißt es in § 573 Abs. 1 BGB, dass der Vermieter nur kündigen kann, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. 

Der Bundesgerichtshof hat mit einer aktuellen Entscheidung daran erinnert, dass ein „berechtigtes Interesse‟ auch dann vorliegen kann, wenn keiner der in Abs. 2 des § 573 BGB vom Gesetzgeber aufgeführten Beispielsfälle vorliegt:

Ein Mieter hatte vom Gesamtverband der Evangelischen Kirchengemeinden in der betreffenden Stadt, in der sich die Mietwohnung befand, eine 2-Zimmer-Wohnung angemietet. Der Vermieter kündigte dem Mieter mit der Begründung, das gesamte Anwesen, einschließlich der vom Beklagten genutzten Wohnung, für die Unterbringung der von der Diakonie e.V. in der Stadt betriebenen Beratungsstelle zu benötigen. Der Mieter hat das Vorliegen eines Kündigungsgrunds bestritten, da keiner der aufgezählten Beispielsfälle vorliege, woraufhin der Vermieter Räumungsklage erhob, welcher Amtsgericht und Landgericht stattgaben. 

Der Mieter versuchte daraufhin vergeblich, beim Bundesgerichtshof in dritter Instanz, das Urteil zu seinen Gunsten abändern zu lassen. 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 09.05.2012 (AZ: VIII ZR 238/11) entschieden, dass die Vorinstanz zu Recht das berechtigte Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses ohne Eingehen auf die Beispielsfälle des Gesetzgebers bejaht habe. Die Beantwortung der Frage, ob ein berechtigtes Interesse gegeben ist, wenn die Beispielsfälle des Gesetzgebers nicht einschlägig sind, erfordere eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Ein Eigenbedarf lag im vorliegenden Fall nicht vor, weil der Vermieter die Räumlichkeiten nicht für sich selbst, sondern für eine juristisch selbständige Person, nämlich die Diakonie, verlangt hatte.

Für die Frage, so der BGH, ob ein Interesse als berechtigt nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehen ist, komme es allein darauf an, ob es ebenso schwer wiegt wie die in § 573 Abs. 2 BGB beispielhaft aufgeführten Kündigungsgründe. Wie der Tatbestand des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB belege, könne sich ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Auflösung des Mietverhältnisses nicht nur aus rechtlichen Beziehungen zu anderen Personen, sondern auch aus familiären oder wirtschaftlichen Beziehungen ergeben. In dieser Regelung werde der Wohnbedarf von Familienangehörigen oder Haushaltsangehörigen des Vermieters dem Bedarf des Vermieters gleichgesetzt. Es sei kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, bei § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB einen strengeren Maßstab anzulegen und Drittinteressen nur dann dem Vermieter als eigenes Interesse zuzuordnen, wenn dieser rechtlich verpflichtet ist, auch solche Fremdinteressen zu wahren. Die genannte Vorschrift verwehre es dem Vermieter daher nicht, auch Umstände aus dem Interessenbereich dritter Personen insoweit zu berücksichtigen, als sich aus ihnen aufgrund eines familiären, wirtschaftlichen oder rechtlichen Zusammenhangs auch ein eigenes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses ergibt.

Gemessen an diesen Maßstäben diene die ausgesprochene Kündigung des Mietverhältnisses mit dem Mieter  nicht nur der Verwirklichung fremder Interessen, sondern auch der Durchsetzung eigener Interessen des Vermieters . Entscheidend sei, dass sowohl der Vermieter  als auch die Betreiberin der Beratungsstelle, die Diakonie, zum Gesamtkomplex der Evangelischen Kirche gehörten und im gleichen örtlichen Wirkungskreis kirchliche Aufgaben wahrnehmen. Die Diakonie nehme für die Kirchengemeinden diakonische Aufgaben – darunter auch die Unterhaltung von Beratungsstellen – wahr. Es handele sich damit bei ihr um eine juristische Person, die dem Vermieter „nahesteht“. Diese Zusammenhänge begründen nicht nur ein Drittinteresse an der Erlangung geeigneter Räumlichkeiten für eine Beratungsstelle in der Stadt, in der sich die Mietwohnung befinde, sondern vielmehr auch ein eigenes berechtigtes Interesse des Klägers an der Beendigung des Mietverhältnisses.

Fazit und Tipp:

Als Vertragspartner eines Mietvertrages muss man sich vor Augen führen, dass eine ordentliche Kündigung grundsätzlich auch auf Kündigungsgründe gestützt werden kann, die nicht beispielhaft im Gesetz aufgeführt sind.

Inwieweit ein solcher Kündigungsgrund vor Gericht Bestand hat, sollte von einem Rechtsanwalt geprüft werden, was sich sowohl für den Vermieter als auch für den Mieter auszahlen kann. 

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