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15. März 2020 RA Andreas Pitsch

Viele Fragen: Besteht ein Anspruch der Eltern auf Entgeltfortzahlung, wenn Schulen und Kitas geschlossen werden? u.a.

Aktuell: Wie ist die Rechtslage, wenn Schulen und Kitas geschlossen werden und Arbeitnehmer die Kinder selbst betreuen müssen? Besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung? Muss Urlaub genommen werden? Was gilt, wenn sich Arbeitnehmer freiwillig in Quarantäne begeben wollen oder die Gesundheitsbehörde eine Quarantäne anordnet?

Aktuelle Fragen dazu beantwortet unser Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Wenn die Kinder betreut werden müssen, haben die in einem Arbeitsverhältnis stehenden Eltern erst einmal alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, die Betreuung anderweitig sicherzustellen. Wenn das nicht möglich ist, stellt sich die Frage, ob ein Leistungsverweigerungsrecht der Arbeitnehmer besteht und sie zuhause bleiben können, aber dennoch Arbeitsentgelt erhalten. Oder sollte besser Urlaub genommen werden?

Entgegen einiger anders lautender Informationen, die auch im Netz kursieren (auch das Bundesgesundheitsministerium stellt das nicht korrekt dar), gilt: Wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht zur Arbeit müssen, haben sie im Regelfall auch keinen Anspruch auf Lohn oder Gehalt, außer sie sind selbst krank. Das Erfordernis der Kinderbetreuung kann zu Komplikationen führen. Zwar gibt es nach § 616 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) einen Entgeltfortzahlungsanspruch – aber das gilt nur bei kurzfristiger und unverschuldeter Verhinderung. Ist von vornherein klar, dass die Verhinderung länger dauert, wie das bei der Kinderbetreuung wegen wochenlanger Schließung von Schulen und Kitas zu erwarten ist, ist nicht sicher, dass das dann auch gilt, und wenn überhaupt nur für einige Tage. Oft ist die Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB im Arbeits- oder Tarifvertrag auch von vornherein ausgeschlossen, was rechtlich zulässig ist. Schließlich müsste der Arbeitnehmer im Streitfall auch beweisen, dass er alle zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, die Kinderbetreuung trotzdem jedoch nicht anders organisiert werden konnte.

Arbeitgeber werden daher gut beraten sein, darauf zu verweisen, dass sie grundsätzlich nicht zur Entgeltfortzahlung verpflichtet sind, wenn die Kinder betreut werden müssen und Arbeitnehmer deshalb zuhause bleiben.

Es gibt noch ein anderes Problem: Ohne Entgeltanspruch werden auch keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt. Im schlimmsten Fall könnte bei einem mehrwöchigen Ausfall wegen der Kinderbetreuung sogar der Krankenversicherungsschutz erlöschen.

Aus all diesen Gründen ist betroffenen Arbeitnehmern anzuraten, das Arbeitsverhältnis nicht einfach ruhen zu lassen, sondern die Entgeltzahlung durch eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber sicherzustellen.

Ggf.  ist es möglich, von zuhause zu arbeiten, oder zu anderen Arbeitszeiten, wenn die Kinderbetreuung sichergestellt ist. Vielleicht können auch Überstunden abgebaut werden. Oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bauen auf der Basis einer Vereinbarung über ein Arbeitszeitkonto – das kann auch eine Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sein – in einem gewissen Umfang einen negativen Stundensaldo („Minusstunden“) auf.

Das Unternehmen sollte schließlich auch Kurzarbeit erwägen. Die Zugangsvoraussetzungen hierfür werden gerade durch eine Gesetzesänderung erleichtert.

In jedem Fall wird sich durch gemeinsames Handeln für alle Beteiligten die Situation besser bewältigen lassen und Nachfolgekonflikte besser vermieden, als wenn wechselseitig nur auf Ansprüche gepocht wird.

Wenn es nicht anders geht, muss der Arbeitnehmer jedoch sogar Urlaub nehmen, auch für die gesamte Zeit, in der die Schließung von Schule oder Kita erfolgt; das gilt sogar dann, wenn damit ggf. der gesamte Jahresurlaub verbraucht wird. Arbeitgeber sind andererseits noch nicht einmal verpflichtet, den Urlaub zu genehmigen, wenn dringende betriebliche Belange entgegen stehen.

Der Arbeitnehmer kann letztlich zwar zu Hause bleiben, wenn es keine andere Möglichkeit gibt und die Situation zwingend, ist, ohne dass das wegen „Verweigerung der Arbeit“ gleich eine Abmahnung oder gar Kündigung rechtfertigen würde – aber eben ohne dass er Anspruch auf Arbeitsentgelt hat, womit auch keine Sozialversicherungsbeiträge zur Kranken-, Renten-und Arbeitslosenversicherung mehr für ihn abgeführt werden.

Das Kind mit zur Arbeit nehmen ist nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Arbeitgebers zulässig Auch einen Anspruch auf Arbeit im Homeoffice gibt es grundsätzlich nicht. Wenn es allerdings prinzipiell möglich ist, wenn betriebliche Interessen nicht dagegen sprechen und es für den Arbeitnehmer zwingend ist, dann sollten Arbeitgeber in dieser besonderen Situation diese Möglichkeit auch nutzen, weil das Problem damit auf verhältnismäßige Art und Weise gelöst werden kann.

Solange es keine objektive Gefahr einer Ansteckung gibt, müssen Arbeitnehmer auch ihren Arbeitsplatz aufsuchen und arbeiten. Arbeitgeber haben umgekehrt dafür zu sorgen, dass die Arbeitsbedingungen sicher sind. Arbeitnehmer, die infiziert sind oder bei denen Symptome für einen Ausbruch der Krankheit sprechen, muss der Arbeitgeber nach Hause schicken.

Auch wenn zur Zeit der Bundesgesundheitsminister dazu aufruft, dass sich Heimkehrer aus den so genannten Risikogebieten wie die in Italien für zwei Wochen eine so genannte freiwillige Quarantäne begeben, gibt es keine Rechtfertigung, einfach zu Hause zu bleiben. Dann entfällt der Entgeltanspruch ebenso. Besser ist es, auch hier eine einvernehmliche Lösung mit dem Arbeitgeber zu finden, zumal auch der Arbeitgeber objektiv daran interessiert ist, dass seine anderen Beschäftigten nicht erkranken. Bei einem solchen, vergleichsweise kurzen Zeitraum von 14 Tagen kann man das Arbeitsverhältnis auch einvernehmlich ruhen zu lassen. Für zwei Wochen wirkt auch der Krankenversicherungsschutz fort, auch wenn kein Arbeitsentgelt gezahlt wird.

Wenn es nicht anders geht, muss aber der Arbeitnehmer auch in diesem Fall seinen Urlaub in Anspruch nehmen; es gibt kein Recht, sich selbst freizustellen.

Wenn die Gesundheitsbehörde eine Quarantäne gegen den Arbeitnehmer verordnet, sieht es natürlich anders aus. Dann muss der Arbeitnehmer nicht nur zu Hause bleiben, sondern bekommt sein Gehalt vom Arbeitgeber weiterhin gezahlt. Dieser hat Anspruch auf Erstattung der Entgeltfortzahlungskosten vom Staat. Wenn eine Quarantäne länger als sechs Wochen dauert und die Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers endet, hat der Arbeitnehmer direkt Anspruch auf staatliche Entschädigung, jedoch nur noch in Höhe des Krankengeldes. Insofern ist diese Situation finanziell vergleichbar mit einer über sechs Wochen hinaus andauernden Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit.

Übrigens: Bayh & Fingerle arbeitet nach wie vor uneingeschränkt und steht Ihnen in allen Rechtsfragen zur Verfügung. Sie müssen deswegen nicht unbedingt in die Kanzlei kommen – rufen Sie an und vereinbaren Sie z. B. einen Telefontermin mit Ihrem anwaltlichen Berater, zu dessen Vorbereitung Sie Ihre Unterlagen auch gern per E-Mail oder per Post übersenden können.

 

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